Tagebuch eines Tavernenbesuchers: Siegbrecht Laurenstein


Anno creatorum 1118, 23. Tag des 7. Monats

Vorbei ist nun die illustre Runde, die meine Brüder Benedikt und Henning zusammenriefen.

„Die erste Expedition muss wieder vereint werden!“, rief das namenlose Brieflein, welches Ich einige Tage zuvor in meiner Tasche auffand und Mich erst zu diesem ruhigen Fleckchen hintrieb. „Wer konnte nur in meine Kammer eingebrochen sein?“, dachte Ich und freilich hatte Ich schon einen Verdacht. Ich beschloss also, der Forderung zu folgen und das Nötige zu tun.

Amtsmissbrauch kann man Mir schwerlich vorwerfen. Der größte Beweis dafür, dass Ich den Erschaffern treu handelte, ist, dass alles gut ging. Aber vor Ort stellte sich ein Mysterium, welches noch ohne Lösung ist: Benedikt und Henning dachten, dass Ich selbst dafür verantwortlich war, dass die beiden in diese ruhige Gegend versetzt worden sind. Amüsant, zweifellos. Wir haben also versucht, herauszufinden, was es mit diesem Treffen auf sich hat:

Meine Brüder wurden zum wohl ruhigsten Fleckchen unserer lieben Insel versetzt, welches existiert. Diebstahl soll dort getrieben werden, so die Erklärung. Es klang in den Ohren der beiden als Vorwand, sie dort hinzuschicken, um ein Fundamentum für ein Wiedertreffen zu schaffen; wer sollte dort etwas stehlen, wo doch weit und breit kaum jemand lebt. So vermuteten sie Mich als Fadenzieher, Ich wusste bis dato aber nichts davon. Vor Ort passierte wirklich ein Ungemach sondergleichen: 6 Fässer Mühlenbräu sind gestohlen! Sicher, vereinzelt gibt es kleinere Diebstähle auf unserer Insel – von größeren Zwischenfällen in Nordhorn ganz zu schweigen – aber 6 Fässer sind eine erschreckende Zahl. Irgendwer tat also gut daran, die beiden dort hinzuversetzen. Henning agierte, klugerweise, vor Ort als wappenloser Kastenloser, um kein Aufsehen zu erregen.

Für Mich ergeben sich nach reichlicher Überlegung folgende Möglichkeiten: Entweder leidet diese Region wirklich unter Diebstählen, oder aber sie wurden inszeniert. Vielleicht, um einen Vorwand zu schaffen, den Mühlstein ins Rollen zu bringen. Solch Fadenspinnerei liegt durchaus im Metier der Ewigen, aber wer sollte so etwas tun?! Friedhelm, wenn ihm auch manchmal ein Schalk im Nacken sitzt, scheint mir hier keine Finger in der Partie zu haben. Er schickte mir ja ein süffig-mildes Amaris Bräu und den lieben Bruder Ivan gleich mit. Von solchen Plänen hätte er mir zeitig berichtet, soviel sei sicher.

Nein, da muss jemand anderes hinter stecken. Es waren auch nicht die Erschaffer selbst, wäre es doch das allerleichteste, den Secretarius der Mühlenfeste ein entsprechendes Schreiben verfassen zu lassen. Freilich ist unser Tun nicht ohne Aufsehen über die Insel gezogen; sind es ja nunmehr schon 8 Jahre, in denen wir wirken und einiges Neues auf die Insel brachten. Irgendein Gönner wird sich schon finden, aber dieses Mysterium bleibt vorerst ungelöst.

Es war ein angenehmes Treffen und es tat gut, soviele meiner lieben Geschwister wieder zu sehen. Umso schmerzlicher war das Fehlen manch anderer. Gerne hätte Ich Ruwena und Heinrich auch dabei gehabt; Wilhelm war leider unbekömmlich. Lediglich die Hitze machte uns zu schaffen, die zum Abend hin auch kaum milder werden wollte. Ich merkte hier besonders schmerzlich, dass Ich seit Amaris kaum zur Ruhe komme: Die Gegend hätte ruhiger nicht sein können und doch erwartete Ich stets ein drohendes Unheil, lauernd hinter einer Ecke. Es wird Zeit, dass Ich den Frieden der Insel wieder ertragen kann.

Unruhe brachte mir Eberhardt, dessen Zustand sich kaum besserte, eher verschlimmerte: Seine Schattenklinge ist nun auf 50 Schritt an ihn gebunden. Balduin, der auf mein Geheiß hin als Gast an der Runde teilhaben konnte, brachte noch die fatale Information, dass in Amaris der Schattenprinz neue Präsenz zeigt. Weiteres vermag er auch nicht zu berichten, da er bald darauf schon floh und gen Nordhorn aufbrach. Er tat gut daran. Hoffentlich wird er in naher Zukunft den Ruf der Erschaffer endlich annehmen und in die 3. Kaste kommen. Es wäre eine Schande, einen so talentierten Heiler an die Barbarei zu verlieren. Jedenfalls glaube ich, dass der düstere Einfluss von Amaris noch immer an Eberhardt zerrt, kräftiger als je zuvor; hat er ja auch seinen Makel nicht ablegen können, wie es bei uns anderen der Fall war, als Ich mit der Novizin zusammen das Portal gen Heimat öffnete. Ich wittere große Gefahr, aber mein Bauchgefühl sagt, dass ich Eberhardt ein letztes Mal in die Schattenwelt schicken muss. Dies Bedarf freilich noch großer Untersuchungen und nicht minder großen Gesprächen mit der 1. Kaste, um endgültig geklärt zu werden. Vorsorglich wies ich ihn an, sich Mitstreiter unter seinen Geschwistern auszusuchen. Noch hat er Zeit, zu überlegen…

Wieder lastet das Los der 1. Kaste auf meinen Schultern. Manchmal beneide ich die Dienstpläne meiner Geschwister. Aber alles Jammern hilft nichts: Schließlich liegt es an Uns, solches Leid der anderen Kasten zu mildern und es fortzuhalten.

Ganz gleich, was sein wird: Mögen die Erschaffer uns beistehen und weiter ruhige Zeiten schenken, damit wir gestärkt wieder in ihren Dienst zurücktreten können. Mich lockt der Ruf der Fremde und die Aussicht auf neues Wissen.